Kritik gab es in den letzten Jahren vermehrt an der übermässig steifen Kleidung: In dem Schreiben der ISSF, das im Juni 2025 anlässlich des Weltcups in München erarbeitet und im Juli an die nationalen Verbände verschickt wurden, wird das Problem offen benannt:
«Das Gesamtbild unserer Athletinnen und Athleten, eingehüllt in eiserne Rüstungen, droht den Sport in Verruf zu bringen.»
In den Finaldurchgängen müsse man künftig sogar gelbe Karten gegen den sogenannten «Pinguin-Gang» erwägen – also für den steifen, watschelnden Einmarsch mancher Athletinnen und Athleten.
Kernpunkte der geplanten Reform
- Gewehrjacken und -hosen sollen weitgehend einlagig werden; nur an wenigen Stellen bleibt doppellagiges Material erlaubt (z. B. Schulter, Lendenbereich).
- Hochgeschnittene, steife Spezialschuhe werden verboten. Künftig sind nur noch tiefere Modelle mit freiem Knöchel zulässig.
- Die Bekleidung wird künftig strenger geprüft – besonders darauf, wie steif oder flexibel sie ist.
Die konkreten Regelformulierungen befinden sich derzeit bei der ISSF in Ausarbeitung. Die neuen Vorgaben sollen per 1. Januar 2026 in Kraft treten.
«Wir sehen die Ankündigung als Chance»
Beim SSV wird die geplante Reform grundsätzlich positiv aufgenommen. Joël Strübi, Leiter Spitzensport, betont: «Wir sehen die Ankündigung als Chance.» Dass künftig die Leistung der Athletinnen und Athleten wieder stärker im Vordergrund stehen soll – nicht das Material – sei eine sinnvolle Entwicklung. Gleichzeitig sei klar: «Natürlich werden die Ergebnisse – zumindest vorerst – wieder nach unten gehen.»
Auch wenn das Grundprinzip seitens SSV-Spitzensport Zustimmung findet, sieht Strübi konkrete Herausforderungen. Die Anpassungen würden sich im Training unmittelbar auswirken – abhängig von Schiessstil und eingesetzter Ausrüstung. «Bestimmte Athleten haben Positionen, die stark von der stabilisierenden Wirkung profitiert haben. Andere – wie etwa Nina Christen – schiessen mit natürlicheren Haltungen und waren weniger stark auf sehr steife Kleidung angewiesen.» Insgesamt werde die physische Belastung zunehmen, sagt Strübi. Das könne dazu führen, dass Trainingseinheiten kürzer, aber intensiver werden.
«Umsetzung sehr knapp»
Dass die ISSF mit den Massnahmen den Schiesssport für Publikum und Medien attraktiver machen will, begrüsst Strübi. Die Wirksamkeit dieser Massnahmen sieht er aber differenziert: «Eine Veränderung des Wettkampfmodus und -settings würde vermutlich deutlich mehr dazu beitragen.»
Skeptisch zeigt sich Strübi mit Blick auf den Zeitplan. «Der ist sicher knapp. Für die Athleten bleibt wenig Zeit, sich auf das neue Material einzustellen.» Entscheidend sei auch, dass die angepasste Ausrüstung frühzeitig verfügbar sei. Ganz abgeschlossen sei die Diskussion wohl noch nicht. «Auch die Kleiderhersteller werden die neuen Regeln wieder ausreizen wollen, und damit beginnt das Tauziehen von neuem.»